Fotografie bleibt steuerrechtlich weiterhin kein Kunstgegenstand!

EU fordert von Deutschland eine höhere Mehrwehrtsteuer für Kunst

Die Brüsseler EU-Kommission forderte Deutschland am 27. Februar 2012 auf, die abgesenkte Mehrwertsteuer für Kunst- und Sammlerstücke anzuheben, weil sie mit dem EU-Recht nicht vereinbar sind. In Deutschland gilt nach dem Umsatzsteuergesetz (UStG) statt dem allgemeinen Mehrwertsteuersatz (§12 Abs.1) von 19 Prozent eine ermäßigte Steuer von 7 Prozent (Abs.2) für die Lieferungen (Nr.1) und Vermietung (Nr.2) von Gegenständen, die in der Anlage 2 des Gesetzes bezeichnet sind. Unter der Lfd. Nr. 53 sind das Kunstgegenstände, und zwar (a) Gemälde und Zeichnungen, vollständig mit der Hand geschaffen, sowie Collagen und ähnliche dekorative Bildwerke, (b) Originalstiche, -schnitte und -steindrucke sowie © Originalerzeugnisse der Bildhauerkunst, aus Stoffen aller Art. Fotografien werden nicht aufgeführt, womit für diese demnach 19% Mehrwertsteuer zu zahlen sind.

Dies ist nicht zu verwechseln mit dem Mehrwertsteuersatz von 7%, der nach §12 Abs. 2, Nr. 7 c. für die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergeben, anzusetzen sind.

Nach den Mehrwertsteuer-Vorschriften der EU (Richtlinie 2006/112/EG vom 28.11.06) findet sich die Fotografie lediglich im Kapitel 4 zu Sonderregelungen wieder. Unter Artikel 311 Abs. 1, Nr. 2 »Kunstgegenstände«, der auf Anhang IX Teil A verweist, wird mit Nr. 7 die Fotografie aufgeführt und gleichzeitig eine Begriffbestimmung geliefert, was darunter als Kunstgegenstand verstanden wird: „vom Künstler aufgenommene Photographien, die von ihm oder unter seiner Überwachung abgezogen wurden und signiert sowie nummeriert sind; die Gesamtzahl der Abzüge darf, alle Formate und Trägermaterialien zusammengenommen, 30 nicht überschreiten“.

Entsprechend Art. 311 Abs. 2 können Mitgliedsstaaten aber vorsehen, dass Fotografien nicht als Kunstgegenstand gelten. Deutschland folgt dieser Möglichkeit, berücksichtigt Fotografie nicht als Kunstgegenstand (s.o.) und erhebt deshalb den vollen MwSt.-Satz.

Deutschland hat allerdings auch keine Sondergenehmigung, einen abgesenkten MwSt.-Satz für Kunstgegenstände anzuwenden. Ermäßigte Steuersätze sieht die EU (abgesehen von den o.g. Sonderregelungen) nur für die Gegenstände vor, die zu Art. 98 Abs. 2 im Anhang III aufgeführt sind: aber weder Kunst bzw. Kunstgegenstände noch die Fotografie werden dort erwähnt. Daher ist auf Lieferungen von Kunstgegenständen und Sammlungsstücken in der EU der Normalsatz anzuwenden.

Einen ermäßigten Steuersatz können die Mitgliedsstaaten nach Art. 103 lediglich auf die Einfuhr von Kunstgegenständen vorsehen (für Fotografie wiederum nur, wenn sie vom Mitgliedsstaat als Kunstgegenstand vorgesehen ist).

Das EU-Recht zu ermäßigten MwSt.-Sätzen wird eng ausgelegt, damit Wettbewerbsverzerrungen in und zwischen den Mitgliedstaaten vermieden werden. Die Aufforderung der Kommission ergeht in Form einer mit Gründen versehenen Stellungnahme (der zweiten Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens). Kommt Deutschland der Aufforderung nicht innerhalb von zwei Monaten nach, kann die Kommission den Gerichtshof der Europäischen Union anrufen.

Bernd Weise

Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 27.Februar 2012

http://ec.europa.eu/deutschland/press/pr_releases/10481_de.htm

MwSt.-Sätze in der EU - MwSt-Systemrichtlinie

http://ec.europa.eu/taxation_customs/taxation/vat/how_vat_works/rates/in…