Das Hannes M. Flach Archiv

„nett wäre es auch eine sammlung meiner besten arbeiten anzulegen – da ich da doch nie in meinem leben dazu komme“  So gesagt bzw. aufgeschrieben von Hannes Maria Flach in seinem Testament, verfasst am 13. Juli 1933 in Köln-Zollstock. Auf diese Bitte des Fotografen wird später noch zurückzukommen sein.

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Akt mit weißer Form, (Selbstportrait), ca. 1926. Hannes Maria Flach Archiv, Köln

Es ist ein grauer und regnerischer Mittwochnachmittag im beginnenden März, als ich den mondänen Altbau im Kölner Kunibertsviertel – einer der wenigen erhaltenen in dieser Gegend –  betrete. In einem kleinen Empfangsraum im Erdgeschoss finden sich an den Wänden bereits erste Flach-Motive, allesamt Neuabzüge ab 1996 datiert und von Georg Heusch, dem Verwalter des Nachlasses, erstellt. Heusch ist gelernter Fotograf und seit Jahrzehnten passionierter Fotosammler. Früh verkaufte er eine Sammlung mit zahlreichen Preziosen von Sander bis Becher über Wols an das J. Paul Getty Museum, initiierte und mitverantwortete  beachtliche Ausstellungen zum Medium u.a. im Bahnhof Rolandseck. Seit 1996 widmet er sich akribisch der Aufarbeitung von Flachs Negativ-Archiv und sonstigen Hinterlassenschaften, veranlasst durch deren Eigentümer.

Hannes Maria Flach wurde als drittes von fünf Kindern am 3. März 1901 in Köln geboren. Nach einer kaufmännischen Lehre in Köln fand er in Düsseldorf eine Anstellung als Handelsvertreter der AEG. Um 1920 machte er seine ersten fotografischen Bilder, für die er bald darauf Preise gewann. Auch sind in der Folgezeit erste Ausstellungsbeteiligungen nachzuweisen. Im Jahr 1927 lernt Hannes Maria Flach die junge Lotte Fahrig (später verheiratete Grossimlinghaus) kennen, der er nach seinem frühen Tod nahezu seine komplette Hinterlassenschaft vermachen wird. Die Beziehung scheint keine einfache gewesen zu sein, was aus der im Archiv überlieferten Korrespondenz zwischen Flach und Fahrig hervorgeht. Hannes Maria Flach hat als Amateurfotograf Erfolg und arbeitet später als freier Bildjournalist; 1930 schließlich gibt er seinen bisherigen Beruf auf und widmet sich ausschließlich der Fotografie. Er macht sich selbstständig und bezieht eine eigene Wohnung mit Fotoatelier in Köln-Zollstock. Von konventionellen Anfängen zeitgemäßer Motive in Bromöldruck bis hin zu pressefotografischer Arbeit, führt ihn der Kontakt schließlich zu den Kölner Progressiven und in eine russische Auseinandersetzung um Alexander Rodtschenko.

Bereits zwei Jahre später, 1932, ist seine erste Einzelausstellung im Kölner Kunstgewerbemuseum am Hansaring nachgewiesen. 1934 bezieht er eine größere Wohnung am Kölner Neumarkt, von wo aus er vom vierten Stock eine hervorragende Sicht auf den zentralen und belebten Platz hat, den er in der Perspektive auch in verschiedenen Aufnahmen festhält. Mit nur 35 Jahren wird er am 20. Oktober 1936 in Köln in der Stolkgasse erstochen. Vermutlich ging der Tat ein Streit um ein Taxi voraus. Der Täter, wohl ein SS-Mitglied, blieb anonym. Georg Heusch hat auf verschiedenen Wegen versucht, Licht in die diffusen, seltsam anmutenden Todesumstände zu bringen. Allein der große zeitliche Abstand bis zum Beginn der intensiven Recherche und der mit der Zeit einhergegangene Verlust an Dokumenten konnten nicht zur weiteren Klärung beitragen. Laut Testament gehen nahezu der gesamte Bestand an Fotografie sowie der Kunstbesitz von Hannes Maria Flach an Lotte Fahrig. Lediglich die Negative, sprich Kleinbildfilme, erhält seine Laborantin Martel Klein-Conrad quasi als Ausgleich für Nichtbezahlung geleisteter Laborarbeit. Die junge Lotte Fahrig hat mehr mit Kunst als mit Fotografie am Hut, nimmt aber den Bestand und Flachs Möbel mit nach Krefeld, wo sie als Lehrerin arbeitet. Reste bleiben in ihrem Elternhaus und deren Keller im Kölner Stadtteil Sülz. Jahrelang lagern dort die Sachen, mit der Zeit u.a. durch die Kriegswirren und die damit verbundenen Verluste dezimiert.

Der Rufer, (Selbstportrait ), ca. 1928. Hannes Maria Flach Archiv, Köln

Eine Art Widerentdeckung der Arbeiten von Hannes Maria Flach fand durch die Ausstellung „Vom Dadamax zum Grüngürtel“ 1975 im Kölnischen Kunstverein statt. Hier wurden Flachs Arbeiten neben Fotografien von August Sander, Werner Mantz und Raoul Ubac präsentiert, zudem wurden die Kölner Progressiven ausgestellt, um generell einen Einblick in die Kunst in Köln in den 1920er Jahren zu vermitteln. Eine erste Einzelausstellung nach dem Krieg wurde 1980 im studio dumont in Köln gezeigt. Von dieser Ausstellung las auch die ehemalige Laborantin Flachs Martel Klein-Conrad und schickte im Nachgang sämtliche Negative an Lotte Grossimlinghaus, so dass von dem Zeitpunkt an Flachs Nachlass sozusagen komplett war. 1983 folgte dann eine erste größere Institutionsausstellung in retrospektiver Form im Museum Ludwig in Köln. Mit dem Beginn der Aufarbeitung des ca. 30.000 Aufnahmen umfassenden Archivs 1996 durch Georg Heusch schließt sich der Kreis. Von den etwa 1.200 Rollfilmen, die sich nach Flachs Tod im Nachlass befunden haben müssen (gut belegbar durch die vom Fotografen vergebenen Nummern), sind etwa noch 950 vorhanden, als Georg Heusch den Bestand übernimmt. Fast 60 Jahre später ist es an ihm, Flachs Wunsch aus dem Testament umzusetzen. Georg Heusch musste und hat eine Auswahl getroffen. Einige hundert alte Abzüge sind vorhanden, von der überwiegenden Zahl an Motiven existieren aber lediglich Negative, die behutsam gereinigt werden müssen. Bereits im Jahr der Nachlassübernahme präsentiert Heusch eine erste Ausstellung anlässlich Flachs 60. Todestages mit einer Auswahl von 50 Motiven, bestehend teilweise aus Vintage-Material und aus neuen Abzügen. In loser Reihe folgen in den nächsten Jahren weitere Präsentationen zu bestimmten Motivgruppen, auch platziert Heusch Flachs Arbeiten verschiedentlich im Handel. Heute sind Interesse und Nachfrage nach dem Werk von Hannes Maria Flach groß; verschiedenste Leihanfragen und Anfragen hinsichtlich der wissenschaftlichen Rezeption erreichen das Archiv. Georg Heusch hat über die Arbeit mit dem Bildmaterial den Fotografen und Menschen Flach komplett verinnerlicht, auch wenn viele Fragen offen sind und wohl immer bleiben werden. Was ist als nächstes geplant? Wer weiß – vielleicht eine größere Ausstellung oder eine Publikation? Beides längst überfällig und wünschenswert.

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Originale Rollfilmschachtel, (ca. 1934) aus Nachlassbestand Hannes Maria Flach

Inzwischen haben wir das erste Stockwerk des Hauses erreicht. Hier finden sich ebenfalls  die unterschiedlichsten Flach-Motive in Passepartouts und gerahmt an den Wänden. Zudem stehen zuunterst zahlreiche Schränke, in denen gut sortiert in Mappen und Kartons die Flach‘schen Bildschätze verwahrt werden. Auch finden sich Porträts in Gouache und Aquarell an den Wänden (von Anton Räderscheidt, H.M. Davringhausen und anderen), darstellend den jungen, gut aussehenden Hannes Maria Flach und das einmal mehr als ein Zeugnis nicht nur einer gewissen Eitelkeit, sondern auch von einer gewissen Bekanntheit des Porträtierten. Betrachtet man aufmerksam die Motive von Flach in Bildsprache und Komposition lässt sich nur erahnen und vermuten, welch ein großer Verlust sein früher Tod für die Welt der Fotografie bedeutet hat.

Adelheid Komenda

Der Beitrag erschien erstmals in PHOTONEWS 5-2016.

Kontakt: Hannes M. Flach-Archiv, Jakordenstr. 8, 50668 Köln, Tel: 0221 131610, E-Mail: hannes.flach-archiv@jakordis.de

Die Kunsthistorikerin und Kuratorin Adelheid Komenda ist derzeit am LVR LandesMuseum Bonn tätig.